Wenn Ihr Kind allein ins Behandlungszimmer geht – und plötzlich alles leichter wird.
Ein Fallbericht über Felix (9), seine Mutter Maxi und den Mut, loszulassen
Lesezeit: 5 min
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Der Zahnarzttermin steht an – und irgendwie haben alle ein komisches Gefühl.
Ihr Kind, weil es Angst hat.
Sie hoffen, dass es diesmal besser läuft.
Und wir? Wir stehen mittendrin.
Wenn alle dabei sind, redet jeder mit, keiner meint’s böse – aber Ihr Kind ist überfordert. Es kann sich gar nicht richtig auf mich einlassen.
Zu Hause sind Mama und Papa die Experten. Im Behandlungszimmer bin ich es.
Denn nicht immer ist der Zahnarzt das Problem – manchmal ist einfach zu viel los im Raum.
Genau darum geht es in diesem Artikel. Und um Felix. Ein Junge, der inzwischen ganz selbstverständlich allein ins Behandlungszimmer kommt – und daran gewachsen ist.
1. Was Sie tun können: Die Idee vom „Allein-ins-Zimmer-Gehen“ verstehen
Wenn Ihr Kind allein behandelt wird, geht es nicht darum, Sie auszuschliessen. Sondern darum, Ihr Kind in den Mittelpunkt zu stellen. Ganz pur. Ganz echt.
Hier einige Gründe, warum ich oft lieber allein mit dem Kind bin:
- Kinder können sich voll auf eine Beziehung konzentrieren – auf mich.
- Ich kann in ihrem Tempo sprechen, erklären, reagieren.
- Ich baue schneller Vertrauen auf – ohne Störungen.
- Eltern sagen oft unbewusst Dinge, die den Rapport stören oder Angst verstärken.
- Kinder fühlen sich stolz, wenn sie es allein schaffen.
Nicht jedes Kind ist sofort bereit dafür. Und nicht jede Situation ist dafür geeignet. Aber: Es lohnt sich, es zu versuchen.
2. Der Nutzen: Was es für Ihr Kind bedeuten kann
Felix war beim ersten Termin ängstlich, hatte Schmerzen und keine guten Erfahrungen vorher gemacht.
Doch heute? Bringt er mir selbstgemachte Bratwürste mit, erzählt vom Wochenende und lacht, während er auf dem Behandlungsstuhl sitzt.
Was ist passiert?
Seine Mutter Maxi beschreibt es so:
„Vor Freude strahlende Kinderaugen – das war das Erste, was ich gesehen habe, als er aus dem Zimmer kam.“
Und weiter:
„Nach dem ersten Besuch ist jeder weitere ein Luxustermin. Wellness für Zähne und Seele.“
Das klingt vielleicht nach einem Wundermärchen. Ist es aber nicht. Es ist einfach nur das Ergebnis von:
- einem echten Beziehungsaufbau,
- klaren Absprachen,
- und einem Raum, in dem sich Ihr Kind sicher fühlen kann – ganz ohne Zuschauer.
3. So funktioniert’s: Schritt für Schritt zur selbständigen Zahnarzt-Erfahrung
Das Kennenlernen – alles beginnt im Vorgespräch
Der erste Termin ist für mich immer ein gemeinsames Kennenlernen mit Ihrem Kind im Behandlungszimmer. Ich hoffe dabei, schon einen kleinen Befund aufnehmen zu können – aber alles in einem entspannten Rahmen.
Ich frage die Kinder zum Beispiel ganz spielerisch:
- „Weisst du eigentlich, wie viele Zähne du hast?“
- „Sollen wir sie mal zusammen zählen?“
Dabei bekommen sie einen grossen Handspiegel in die Hand, damit sie selbst sehen, was passiert. Das klingt nach einer Kleinigkeit – aber genau das ist ein wichtiger Baustein, um Kontrollverlust zu vermeiden.
Das Kind bleibt jederzeit Teil des Geschehens. Es schaut selbst zu, es zählt mit – es ist beteiligt.
Wenn alles gut läuft, können wir manchmal sogar schon beim ersten Mal einen Zahn flicken. Wenn das nicht klappt, ist auch das völlig okay. Dann ist genau jetzt ein guter Moment, um mit Eltern und Kind gemeinsam zu besprechen:
„Wie wäre es, wenn du das nächste Mal allein zu mir ins Zimmer kommst? Dann haben wir mehr Ruhe, vielleicht geht es dann leichter.“
So wächst Schritt für Schritt das Vertrauen – und die Selbständigkeit.
Vor dem Termin
- Nehmen Sie sich Zeit, Ihrem Kind zu erklären, dass es heute nur um ihn oder sie geht.
- Fragen Sie ihr Kind, ob es sich vorstellen kann, allein mit mir den Zahn zu flicken.
- Machen Sie klar: Sie bleiben in der Nähe – aber Sie trauen Ihrem Kind das zu.
Während des Termins
- Sagen Sie beim Abschied: „Du machst das super! Ich bin gleich draussen.“
- Bleiben Sie ruhig, auch wenn Sie selbst aufgeregt sind. Kinder spüren das.
- Bitte nicht mit dem Ohr an der Tür stehen bleiben 😉
Nach dem Termin
- Fragen Sie: „Wie war es für dich?“ – und hören Sie einfach nur zu.
- Zeigen Sie Stolz – aber ohne zu bewerten. Egal wie viel geschafft wurde („Wow, du hast das so toll gemacht!“ reicht völlig).
- Geniessen Sie zusammen das gute Gefühl.
4. Hilfsmittel, die helfen
Was Sie brauchen? Eigentlich nicht viel. Aber hier ein paar Dinge, die helfen können:
- Ihr Vertrauen. Ohne das geht’s nicht.
- Eine Kinderzahnärztin, die wirklich Lust auf Kinder hat (kein Bonus, sondern Grundvoraussetzung).
- Ein 1. Kennenlerntermin, in dem Sie alle Fragen loswerden können (ich nehme mir immer Zeit dafür).
- Ein gutes Bauchgefühl. Wenn das passt, dürfen Sie loslassen.
Maxi, Felix’ Mama, sagt dazu:
„Mein Bauchgefühl hat gesagt: Lass los, es kommt gut. Und das war goldrichtig.“
5. Fehler, die Sie vermeiden sollten
Niemand macht alles perfekt. Aber diese Dinge sind echte Stolperfallen:
- Ihr Kind überreden. Wenn Ihr Kind sich absolut unwohl fühlt, dann braucht es vielleicht noch Zeit.
- Dazwischenreden während der Behandlung. Gut gemeint – aber oft störend.
- Zu viele Erwartungen. Der erste Termin muss nicht gleich perfekt laufen.
- Druck ausüben. Kinder spüren sofort, wenn Sie „funktionieren“ von Ihrem Kind wollen.
- Vorher zu viel erklären. Am besten bleibt alles einfach und offen – die Details klären wir im Zimmer. Sie wissen ohnehin nicht genau was bei mir im Zimmer passiert. Also bleiben Sie ehrlich und sagen das auch so.
Felix hat inzwischen viele Erfahrungen beim Zahnarzt gemacht – allein, mutig und mit einem Lächeln im Gesicht. Seine Mutter Maxi sagt:
„Viele Köche verderben den Brei. Die 1:1-Behandlung war genau das, was Felix gebraucht hat.“
Und ich? Ich weiss, dass es nicht immer leicht ist, loszulassen. Aber wenn Sie es wagen, können Sie Ihrem Kind damit etwas schenken, das weit über einen Zahnarztbesuch hinausgeht:
Stolz. Vertrauen. Selbstwirksamkeit.
Und das ist vielleicht das schönste Geschenk von allen.
Wenn Sie Fragen haben oder sich unsicher sind, melden Sie sich gern bei mir. Ich nehme mir Zeit – für Sie und Ihr Kind.
Julia Meyer-Lückel, Kinderzahnärztin aus Leidenschaft
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